Interview mit Bischof Bertram Meier
1) Welche Rolle kann Pilgern in unserer Zeit noch spielen?
BB: Pilgern zeigt uns, dass wir als Menschen unterwegs sind. Wer ein Ziel hat, darf nicht stehen bleiben. Er bzw. sie muss mobil bleiben und aufbrechen.
2) Welche Besonderheit kennzeichnet gerade Lourdes als Marienwallfahrtsort? Was macht ihn so wertvoll?
BB: Lourdes verweist uns auf das Wasser. Wasser ist ein Grundelement. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Im Blick auf die reine Jungfrau Maria, die ja in Lourdes als unbefleckte Empfängnis verehrt wird, ist Lourdes für mich eine Aufforderung, nicht mit allen Wassern gewaschen zu sein, sondern mich an die eigene Taufe, die Urquelle meines geistlichen Lebens, zu erinnern.
3) Was bedeutet Lourdes für Sie persönlich?
BB: Wenn ich nach Lourdes komme, beeindruckt mich immer das Miteinander von kranken und gesunden Menschen. Vor der Muttergottes sind alle gleich. Ich erwarte mir weniger ein außerordentliches Wunder körperlicher Heilung, sondern die tiefe geistliche Erfahrung: Die Leidenschaft für Jesus und seine Mutter Maria verbindet alle Pilger zu einer Leidensgemeinschaft. Das ist für mich ein starkes geistliches Zeichen, gerade jetzt in Corona-Zeiten.
4) Gibt es ein Lourdes-Erlebnis, an das Sie sich besonders erinnern?
BB: Vor einigen Jahren durfte ich eine Gruppe von Wallfahrern mit Behinderung aus Ursberg nach Lourdes begleiten. Noch gut erinnere ich mich an den Kreuzweg, den wir miteinander gegangen sind. Den Menschen mit Behinderung ging die Betrachtung der Kreuzwegfiguren sehr nahe. Noch nach Jahren, als ich wieder einmal in Ursberg zu Gast war, sprach mich ein Pilger der damaligen Gruppe an und schwärmte von diesem Kreuzweg.
5) Welche Möglichkeiten bietet eine virtuelle Wallfahrt?
BB: Es gibt ein Lied, in dem wir singen: „Im Schauen auf Dein Antlitz, da werden wir verwandelt in Dein Bild.“ Auch wenn wir nicht körperlich zur Lourdes-Grotte gehen können, obwohl wir uns nicht beim gemeinsamen Essen und Trinken, bei Gesprächen und Gottesdiensten hautnah begegnen dürfen, bietet eine virtuelle Wallfahrt die Gelegenheit, zur Lourdes-Madonna aufzuschauen, dem Herrn in der Eucharistie und in seinem Wort geistlich zu begegnen und uns auf diese Weise auch untereinander als Gemeinschaft zu erfahren. So freue ich mich auf unseren gemeinsamen Weg nach Lourdes, auch wenn wir körperlich daheim bleiben müssen.